Wie geht es uns eigentlich? (Teil 2)

Heute gibt es mal einen etwas anderen Blogbeitrag. Denn Jacob und mir ist aufgefallen, dass wir häufig von Bekannten die selben Fragen gestellt bekommen. Und auf "Wie ist es eigentlich so?" finden wir selten eine gute Antwort, die dem Leben hier gerecht wird. Zudem ist es ja nur eine Sicht auf das vielseitige Leben hier, die wir liefern können. Deswegen haben wir uns fünf Fragen überlegt, die gewisse Bereiche abdecken, und unseren Mitfreiwilligen gestellt.
Dabei wollen wir einerseits Einblicke in die gänzlich verschiedenen Alltäge unserer Mitfreiwilligen liefern, gleichzeitig jeden einzelnen auch zu Wort kommen lassen. Herausgekommen sind dabei elf kurze Interviews mit spannenden Geschichten, die wir Euch in zwei Blogeinträgen gerne erzählen möchten.


Pia (von Jacob interviewt)

1. Wer bist du und was machst du?

"Also, ich bin Pia, 19 Jahre alt und habe gerade mein Abitur bestanden. Im Rahmen meines entwicklungspolitischen Freiwilligendienstes unterstütze ich die Comunidad in Esmeraldas, in der ich lebe. Dort unterrichte ich Englisch und fördere Stipendiaten."

2. Welches materielle Gut vermisst du?

"Das ist echt schwierig zu beantworten. Mir springt jetzt nichts Dringendes in den Kopf. Vielleicht das warme Wasser, welches es in meinem Projekt leider nicht gibt. Ich habe mich so an alles gewöhnt, dass mir das, was ich vermisse, wahrscheinlich erst wieder zu Hause (in Deutschland) einfallen würde."

3. Und wie steht es mit dem Essen? Was magst du hier und was fehlt dir aus Deutschland?

"Die für meine Region typische Ceviche (Fischsuppe) hatte ich tatsächlich erst einmal, da meine Familie ihr Geld nicht durch den Fischfang, sondern durch eine Finca verdient. Was mir aber auch sehr gut schmeckt, ist das Gericht Majado, bei dem gekochte und gestampfte Platanos (Bananenart) mit Zwiebeln angebraten und mit Rührei serviert werden. Daneben sind die Empanadas aber auch sehr gut."

4. Hast du mit einer indigenen Kultur oder etwas anderem Außergewöhnlichen zutun?

"Meine Gastmutter ist eine Kichwa aus Tena, übrigens die einzige aus meinem gesamten Dorf. Einen Großteil der Bevölkerung Esmeraldas bilden Afroamerikaner, so auch in meinem Dorf. Mir ist aufgefallen, dass sich generell viele Bewohner als Afroamerikaner einordnen, vom Aussehen dieser Gruppe aber nicht zugeordnet werden müssten."

5. Von den Freiwilligen in Ecuador bist du neben Martin die einzige Freiwillige, die alleine in einem Projekt lebt. Wie ist das?

"Der Anfang war unglaublich schwer. Ich hatte halt keinen Ansprechpartner. Generell war Vertrauen ein großes Problem, da man sich an alles und jeden neu gewöhnen muss und nicht weiß, wem man als Person vertrauen kann. So hatte ich lange Zeit viel Kontakt mit meiner Familie und allgemein das Gefühl aus meinem Dorf flüchten zu müssen. Daher bin ich zu dieser Zeit auch viel gereist. Ich hatte halt auch das Gefühl, dass meine Gefühle keinen kümmern, dabei ist es enorm wichtig sein Herz auszuschütten, sonst Platz man irgendwann. Mit der Zeit hat sich die Situation jedoch zum Positiven entwickelt. Mittlerweile habe ich auch eine Vertrauensperson gefunden, mit der ich gut reden kann."

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(Blog von Pia: www.piainecuador.wordpress.com)


Maja (von Lana interviewt)

1. Wer bist du und was machst du?
„Mein Name ist Maja, ich bin 18 Jahre alt und wohne ein Jahr lang in einer indigenen Gemeinde im Dschungel. Zudem gebe ich in der Dschungelschule Englischunterricht und arbeite zugleich bei meinem Gastvater im ökologischen Teil mit.“

2. Welches materielle Gut vermisst du?
„Was mir ziemlich fehlt, ist ein Schreibtisch. Es wäre so schön, sich hinzusetzen und all die Sachen auszubreiten, ohne dass mein dreijähriger Gastbruder Tunti kommt und alles durcheinander bringt. Und ohne, dass die Haare, Augen und Atemwege vom Feuer in der Küchenhütte zuräuchern. Deswegen wäre ein Schreibtisch in dem Hängemattenhaus gut, mit Blick auf den Fluss und das Wasserrauschen im Ohr.“

3. Und wie steht es mit dem Essen? Was magst du hier und was fehlt dir aus Deutschland?
„Was ich sehr gerne esse, ist der frische Fisch, den es fast täglich bei uns gibt. Auch Maniok, das abendliche Haferflockengetränk und die Früchte sind genial. In Deutschland fehlen mir frische Sachen aus dem Kühlschrank, da wir hier keinen haben.“

4. Hast du mit einer indigenen Kultur oder etwas anderem Außergewöhnlichen zutun?
„Klar, habe ich viel damit zutun, ich lebe ja schließlich in einer indigenen Gemeinde. Ich empfinde es als große Ehre, das alles so miterleben zu können. Die Gemeinschaft ist so stark, wenn jemand  etwas hat, was ein anderer braucht, gibt er es ab. Wenn jemand Hilfe braucht, treffen sich alle und arbeiten in der sogenannten Minga zusammen.“

5. Hast du Angst davor, wieder in Deutschland zu sein und in festen Strukturen zu leben?
„Ich habe keine Angst davor, aber sehe dem mit Unmut entgegen. An manche Dinge hier könnte ich mich für immer gewöhnen, zum Beispiel das Leben in der Natur, nie kaltes Wetter zu haben und auch die Spontanität der Leute hier. Und auch die Gemeinschaft wird mir hier fehlen.“

Unknown-2(Blog von Maja: www.majaimherzendesdschungels.jimdo.com)

 

Jacob (von Lana interviewt)

1. Wer bist du und was machst du?
„Ich bin Jacob, 19 Jahre alt, komme aus Duisburg und mache jetzt einen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst in Ecuador. Meine Zeit verbringe ich mit einer Shuar-Familie im Amazonas Regenwald. MeineFreiwilligenarbeit besteht aus Englischunterricht an einem Dschungel "Colegio", gelegentlich wird auch unserem Gastvater bei ökologischen Arbeiten geholfen.“

2. Welches materielle Gut vermisst du?
„Materiell gesehen fehlt mir nicht so viel. Ich habe vor kurzem mein Handy verloren und das fehlt schon, da das Kommunizieren dadurch oft wesentlich schwieriger wird. Ansonsten, wie Maja wahrscheinlich schon sagte, ein Schreibtisch. Das ist für mich ein materielles Gut, das unbeschreiblich wichtig sein kann, wenn man zum Beispiel den Unterricht vorbereiten will.“

3. Und wie steht es mit dem Essen? Was magst du hier und was fehlt dir aus Deutschland?
„Was ich vermisse, kann ich ganz klar sagen. Einerseits fehlt mir gute Pizza, die ich hier noch nicht gefunden habe, und auf jeden Fall auch Käse. Aber auch deutsches Brot. Dafür esse ich hier im Dschungel aber am liebsten Yucca (Maniok) und Ayampoko, ein Blattgericht. Man nimmt dafür Fleisch oder Fisch, fügt andere Zutaten hinzu und wickelt diese in ein Palmenblatt, das am Ende über dem Lagerfeuer gegrillt wird.“

4. Hast du mit einer indigenen Kultur oder etwas anderem Außergewöhnlichen zutun?
„Ich habe tatsächlich sehr viel mit einer indigenen Kultur zutun. Wir leben in einer Shuar-Familie. Die Kultur ist komplett anders und unterscheidet sich meiner Meinung nach stark von der Kultur der Mestizen. Am Anfang war es für mich befremdlich, dass die Rollen hier in den Familien so klar verteilt sind, aber anderseits ist das Gemeinschaftsgefühl dafür hier viel stärker. Man arbeitet mehr zusammen und teilt viel mehr. Das macht es umso interessanter, hier zu leben."

5. Und kannst du etwas von den kulturellen Unterschieden, die du in der Shuar-Familie erfährst, wieder in das westliche Leben mitnehmen?
„Auf jeden Fall. Insbesondere die Gastfreundschaft, die ich eben schon erwähnte. Jeder der uns besucht, bekommt beispielsweise direkt etwas zu Essen. Das kenne ich aus Deutschland weniger, obwohl es meiner Meinung nach normal sein sollte."

 

OLYMPUS DIGITAL CAMERA(Blog von Jacob: www.Jacobsjourneys.jimdo.com)


Selina (von Jacob interviewt)

1. Wer bist du und was machst du?

"Hallo, mein Name ist Selina, bin 20 Jahre alt und eines der wenigen Kleinstadtkinder unserer Gruppe. Ich arbeite ein Jahr im Projekt "Caballo Sendero" in Macas."

2. Welches materielle Gut vermisst du?

"Ich muss gestehen: da ich in einem Haushalt lebe, der dem europäischen Standard gleichsteht, vermisse ich nicht wirklich ein materielles Gut."

3. Welches Essen aus Deutschland vermisst du am meisten und welche Speise isst du hier am liebsten?

"Was ich am meisten vermisse, sind meine Schupfnudeln, beziehungsweise mein Kartoffelrösti (Kartoffelpuffer). Was ich hier total gerne mag, sind die ganzen Früchte, die es hier gibt. Ab und zu darf es auch mal ein Salchipapa sein. Das sind Pommes, auf denen frittierte Würstchen gebettet werden. "

4. Hast du mit indigenen Gruppen oder anderem Außergewöhnlichen zu tun?

"In meinem Projekt nicht direkt. Es gibt Kinder der Shuar Nationalität, sonst habe ich aber mit keiner anderen indigenen Kultur zu tun und lebe auch mit keiner zusammen. Zu denen im Umfeld lebenden Shuar habe ich aber auch keinen Kontakt. Im Projekt selbst arbeite ich jedoch mit behinderten Kindern zusammen, zu den Behinderungen gehören Autismus, Downsyndrom und Gehirnschäden, die bei der Geburt davongetragen wurden. Gleichzeitig bin ich dann auch noch einmal die Woche bei der Reittherapie, welche die Kinder nochmal individuell fördern soll."

5. Hattest du aufgrund der vielseitigen Umstellungen (Nahrung/ Tagesablauf etc.) körperliche Probleme/ Krankheiten?
"Ja, bei meiner Anreise zum Beispiel wurde ich Flugkrank. Danach suchte mich nochmal eine sehr heftige Lebensmittelvergiftung heim, seitdem hatte ich jedoch nichts mehr. Ich würde auch sagen, dass eine Lebensmittelvergiftung pro Jahr reicht. Im Übrigen war ich sehr erschüttert, dass hier anscheinend alles mit Antibiotika behandelt wird.

Generell fühle ich mich also fit, bis auf nach dem Crossfit."

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(Blog von Selina: www.selinainecuador.jimdo.com)

 
Lana (von Jacob interviewt)

1. Wer bist du und was machst du?
"Ich bin Lana, 19, aus Dortmund, der Revierhauptstadt, und arbeite in Macas in einem Projekt, in dem ich mit Kindern, die eine geistige oder körperliche Einschränkung haben, zusammenarbeite. Dort mache ich zum Beispiel bei der Pferdetherapie mit und versuche mit allem sonstigen Drum und Dran Gutes zu bewirken."
 
2. Welches materielle Gut vermisst du?
"Anfangs hat mir mein Wasserkocher gefehlt, dann habe ich einen von meinen Eltern aus Deutschland bekommen. Der ist aber kaputt gegangen, deswegen habe ich einen neuen gekauft. Das war am Anfang ein mehr oder minder großes Drama, aber sonst fehlen mir keine materiellen Güter."
 
3. Welches Essen aus Deutschland vermisst du am meisten und welche Speise isst du hier am liebsten?
"Eigentlich gar nichts so sehr, im Gegenteil. Hier kann man sehr viele verschiede Bananengerichte essen. Ich wusste zum Beispiel gar nicht, was man für coole Sachen damit machen kann. Ich denke da an die Verwendung von Kochbananen oder Chiffles."
 
4. Hast du mit indigenen Gruppen oder anderem Außergewöhnlichen zu tun?
"Ich habe mit keiner indigenen Kultur zu tun, aber mit Kindern, die Einschränkungen haben, und das ist neu für mich. Es ist sehr interessant, ich habe so viel durch die Arbeit mit den Kindern gelernt und so auch mein Verhalten gegenüber diesen geändert. Ich weiß mittlerweile, wie ich damit besser umgehe und sehe die Behinderung gar nicht mehr als Behinderung an, sondern als Teil dieser Menschen."
 
5. In deinem Projekt in Macas ist es so, dass du auf sehr engem Raum mit einer anderen Freiwilligen zusammenwohnst. Wie gefällt es dir mit jemand anderem Kopf an Kopf zu schlafen und eine Wohnung (anfänglich ohne Schutz von Türen) zu teilen?

"Ich mags. Ich könnte es mir nicht mein Leben lang vorstellen, aber für ein Jahr ist es großartig. Ich lerne eine Person kennen, die ich vorher nicht gekannt habe und mit der ich möglicherweise nie befreundet gewesen wäre. Mittlerweile bin ich so eng mit Selina befreundet, dass diese zu einem wichtigen Teil meines Lebens geworden ist. Wir sind wie eine kleine Familie geworden. Nur wacht Selina immer sehr früh auf und ich werde dadurch auch früh wach, das ist eher negativ."

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